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Die Neue Mittelschule ist tot – Es lebe die mündige Schule!

Die nicht enden wollenden Diskussion Gesamtschule vs. Gymnasium kann man gut und gerne als „30-jährigen Krieg der österreichischen Bildungspolitik“ bezeichnen.

In der rot-schwarzen Blockaderepublik herrscht jahrzehntelang Bewegungslosigkeit in der Schulpolitik, während wir in allen Rankings von PISA über PIRLS bis TIMSS Jahr um Jahr zurückfallen. 2011 rang dann die SPÖ der ÖVP einen mühsamen Kompromiss ab: Die Neue Mittelschule (NMS) soll über die nächsten Jahre die Hauptschule ersetzen, während die Langform des Gymnasiums beibehalten wird. Dass dieser Kompromiss von Vornherein zum Scheitern verurteilt war, beweist der gestern von der Bildungsministerin (ihrer Expertengruppe, nicht der Öffentlichkeit!) vorgestellte Evaluierungsbericht der NMS. Das Fazit des Berichts: Ob auf einer Schule „Neue Mittelschule“ oder „Hauptschule“ geschrieben steht, macht für die Unterrichtsqualität offenbar kaum einen Unterschied. In vielen Bereichen schnitten die Neuen Mittelschulen sogar schlechter ab. Seit dem heutigen Tag ist es also offiziell: Die NMS ist nicht das Patentrezept, als das sie verkauft wurde.

Wenn unsere Schulen im 21. Jahrhundert ankommen sollen, dann können wir uns nicht weiter diesen rasenden Stillstand leisten. Über Jahrzehnte haben sich bildungspolitische Diskussionen in diesem Land doch darauf beschränkt, dass reflexartig von roten und grünen Politikern der Ruf nach einer Einheitsschule der 10- bis 14-Jährigen laut wurde, woraufhin schwarze und blaue Politiker die Langform des Gymnasiums verteidigt haben. Natürlich haben beide Seiten ein Stück weit recht: Eine Trennung in „gescheite“ und „dumme“ Kinder im Alter von neun Jahren grenzt schon ans Unmenschliche. Und natürlich ist „One size fits all“ auch kein gutes Konzept – in der Mode genauso wenig wie in der Bildung.

Oder die Politik übt sich in öffentlichkeitswirksamer Symptombekämpfung. Der Wiener Bürgermeister ist in dieser Disziplin ja bekanntlich ein Meister. So gibt es in Wien seit dem letzten Schuljahr eine „Gratis“-Nachhilfe. Für BegleitlehrerInnen in den Volksschulen fehlen durch so ein Millionenprojekt dann allerdings die Mittel. Hier wurden Stunden gekürzt. Während eine klaffende Wunde immer größer wird, pickt die Politik nur ein Pflaster nach dem anderen drauf…

Was hören wir indes von der Bildungsministerin? Nicht viel, außer dass sie den Ländern die volle Hoheit über die Lehrer geben will, während der Bund die Rechnung zahlt. Ein bewährtes Konzept des österreichischen Föderalismus, in dem Verantwortungskultur ein Fremdwort bleibt. Die Hypo ist in diesem System nur die Spitze des Eisbergs.

Aber jede Krise birgt auch eine große Chance. Nach dem Scheitern der NMS ist endlich der Weg frei für eine mündige Schule mit umfassender Autonomie. Das wäre ein dringend notwendiger Paradigmenwechsel in der österreichischen Bildungspolitik. Die Parteibuchwirtschaft wäre in der Direktorenbestellung Geschichte und jeder Schulstandort hätte volle Eigenständigkeit – in der Auswahl der Lehrer_innen, in der Wahl der pädagogischen Konzepte und in budgetären Fragen. Jeder und jede kann was – das ist unser Credo in der Bildung. Aber wir können die Talente der Kinder nur in den Mittelpunkt stellen, wenn wir den Schulen auch die Freiheit geben, sich auf die so unterschiedlichen regionalen und auch individuellen Gegebenheiten einzustellen.

Dabei muss es klarerweise ein gemeinsames Ziel geben: den Bildungsabschluss für jedes Kind – die mittlere Reife.

Nein, die Frau Bildungsministerin ist nicht rücktrittsreif, wie das der Kollege Rosenkranz von der FPÖ heute gefordert hat. Sie hat die Einführung der NMS in dieser Form auch nicht zu verantworten. Was sie sehr wohl zu verantworten haben wird ist, welche Lehren aus dem vernichtenden Evaluierungsbericht gezogen werden. Es gibt einen breiten Konsens in Richtung mehr Autonomie, in diese Richtung bläst der Wind. Frau Heinisch-Hosek wird daran zu messen sein, ob sie nun die Segel richtig setzt. Es ist im Übrigen auch schön, wenn nun auch in der ÖVP Stimmen für mehr Schulautonomie lauter werden (und auch zu einer Entwicklung der Elementarpädagogik in Richtung erste Bildungseinrichtung). Allerdings frage ich mich da schon, ob die ÖVP nun eine Regierungspartei ist, oder nicht. Wir sind jedenfalls gerne konstruktiver Partner, wenn sich die Regierung auf den Weg zur Umsetzung einer mündigen Schule macht. Unsere Konzepte liegen in der überparteilichen Initiative Talente Blühen auf dem Tisch.

Die Diskussion um die Zukunft unserer Schulen ist ja keine Schöngeisterei. Wir können uns keine verlorene Generation leisten. Gerade in Wien wächst aber die Gefahr, dass immer mehr Kinder auf der Strecke bleiben – vor allem jene mit nicht-deutscher Muttersprache. Wenn bei zwei Drittel der Kinder mit türkischem Migrationshintergrund nach der Pflichtschule Schluss ist und 18% von der Schule direkt in die Arbeitslosigkeit übergehen, dann läuft im System etwas falsch. Und wenn sich die Wiener Stadtschulratspräsidentin, eigentlich ein Verwaltungsjob, als Politikerin plakatieren lässt und das wichtigste Buch in der Schule nach wie vor das Parteibuch ist, dann läuft im System auch eindeutig etwas falsch.

Es gibt in unserem Schulsystem so viele gestalterische und konstruktive Kräfte, die etwas im Sinne der Kinder bewegen wollen. Mein Vorschlag: Lassen wir es zu, dass sie etwas bewegen!

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