Die ÖVP will also die Macht der EU eindämmen. So verkündet das Reinhold Lopatka in der Presse. Eine europäische Zusammenarbeit mache in gewissen Bereichen „einfach keinen Sinn“, klagt Lopatka und führt beispielhaft das Thema Arbeits- und Sozialpolitik an.

Der ÖVP-Staatssekretär springt damit auf den gemütlichen Bummelzug der Cameron’schen Renationalisierungsdebatte auf. Auch der Niederländer Mark Rutte sitzt im gleichen Zug – ebenfalls nicht gerade eine Speerspitze pro-europäischer Haltung.

Doch auch Angela Merkel ließ letzte Woche aufhorchen als sie anmerkte, ob man nicht überlegen könne Kompetenzen wieder zurück an die Nationalstaaten zu geben.

Gleich vorweg: ich begrüße eine grundlegende Diskussion um die Kompetenzverteilung in der Europäischen Union. Vor allem deshalb, weil ich der Meinung bin, dass ein grundsätzlicher und ehrlicher Diskurs zur Zukunft der Europäischen Union dringend notwendig ist. Nicht nur Visionen sind derzeit kaum zu finden, die europäische Politik ist hauptsächlich reaktiv und von primär nationalem Wunsch- und Besitzdenken getragen. Gleichzeitig kann aber auch gerade die EU-Kommission nicht aus ihrer europapolitischen Verantwortung entlassen werden: So manche Abteilung der Kommission – offenbar in einer Endlosschleife der permanenten Selbstlegitimation gefangen – hätte den einen oder anderen Vorschlag wohl besser gelassen.

Es ist also durchaus begrüßenswert, wenn eine Diskussion angestoßen wird. Allerdings muss man immer auch auf die Motive und Absichten der handelnden Personen schauen. Im Falle von David Cameron erfolgt der Vorstoß klar aufgrund des zunehmenden Drucks des Anti-EU-Flügels innerhalb seiner Partei und aus dem Wunsch heraus, Brüssel zu schwächen. In einer ähnlichen Situation befindet sich Mark Rutte, getrieben von der EU-kritischen Partei Geert Wilders (der erst dieser Tage erneut mit HC Strache zusammentraf). Wie sehr es bemerkenswert sein mag, dass die Debatte über die Zukunft der Europäischen Union fast ausschließlich von EU Gegnern vorangetrieben wird, so wenig sollten wir das akzeptieren!

Engstirnigen Nationalismus kann man Angela Merkel nun sicher nicht unterstellen, zudem sie mehrfach betont hatte, dass sie gerade nicht in eine Renationalisierungsdebatte habe einsteigen wollen, sondern vielmehr ausdrücken wollte, dass europäische Fortschritte auch in kleineren Kooperationsschritten getätigt werden könnten. Siehe auch: http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/grossbritannien-london-treibt-eu-debatte-voran-12534801.html

Die EU-Skepsis in der Bevölkerung ist groß. Grund genug für einige Parteien in den populistischen Chor der EU-Gegner einzusteigen. Ob das Themen wie EU-Austritt, Euro-Austritt oder gar ein ‚ Nationaler Euro‘ sind: FPÖ, BZÖ und auch das Team Stronach reiten die Welle.

Nun auch – dosierter aber doch – die ÖVP. Wir erinnern uns: die Europapartei.

Schauen wir uns die Aussagen doch näher an: Die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik: Das vereinte Europa baut auf dem Gedanken der Grundfreiheiten auf. Eine dieser Grundfreiheiten ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit, also die Möglichkeit und das Recht der grenzüberschreitenden Mobilität der Arbeitskräfte. Allein diese Grundfreiheit macht europäische Antworten zu drängenden Fragen der Arbeits- und Sozialpolitik unumgänglich. Lopatka aber reduziert das Thema allein auf das Einkommensniveau. Das ist populistisch. Fragen wie grenzüberschreitende Pensionsmitnahme oder die Anerkennung von Berufsausbildungen und -abschlüssen sind aber von immenser Bedeutung für diese Mobilität! Bei einer wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise teilweise enorm hohen Jugendarbeitslosigkeit (Beispiel Spanien) zeugt es von einem peinlichen Mangel an europäischer Solidarität, gerade hier nach Renationalisierung zu rufen!

Trotzdem muss man auch an dieser Stelle klar darauf hinweisen, dass die Beschäftigungspolitik eben nicht vergemeinschaftet ist, sondern von den EU-Mitgliedstaaten ’nur‘ koordiniert wird. Das heißt im Klartext: das Heft ist und bleibt weiterhin in der Hand der Nationalstaaten und vor allem der Regierungen (genau wie beim Wasser, übrigens…).

Lopatka spricht von dem Wunsch, dass die demokratische „Legitimität“ von Kommission und Parlament gestärkt werden sollen. Wunderbar! Wir stellt er sich das vor?

Reicht eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten hier aus? Würden wir begrüßen, aber sonst?

Ihm wird doch als Staatssekretär nicht entgangen sein, dass die demokratische Legitimation des Europäischen Parlaments vollständig vorhanden ist. (demokratische Direktwahl, Mitentscheidung in fast allen Bereichen). Vielleicht hakt es eher am demokratischen Respekt, den auch österreichische Regierungsvertreter dem Europäischen Parlament bisweilen entgegen bringen?

Konkrete Verbesserungen wären zum Beispiel ein Initiativrecht des Parlaments, also die Möglichkeit, Gesetze selbst auf den Weg bringen zu können. NEOS würde ein solches Initiativrecht begrüßen!

Auch möglich wäre eine weitere Ausdehnung der Mitentscheidung – das würde aber Bereiche betreffen, in denen nach wie vor Einstimmigkeit aller 28 EU-Staaten im Rat notwendig ist – zum Beispiel in der von Lopatka angeführten Sozialpolitik oder, ein wirklich spannendes Thema, in der Steuerpolitik. Darüber kann und sollte man diskutieren!

Noch ein Punkt: Das Subsidiaritätsprinzip strenger einhalten: Gerade mit dem Vertrag von Lissabon wird hier den nationalen Parlamenten eine besondere Aufgabe in der Subsidiaritätskontrolle zugewiesen. Sie können und sollen Alarm schlagen, wenn durch einen Gesetzesvorschlag dieses wichtige Prinzip verletzt wird. Allzu oft hat Österreich nicht davon Gebrauch gemacht und es hat auch keine Beschwerde die notwendige Schwelle sich beschwerender nationaler Parlamente erreicht. Es ist so, dass Mehrheitsentscheidungen nicht immer im Interesse Österreichs und sicher schon gar nicht im Sinne der ÖVP getroffen werden.

Das Fazit:

Einen Konvent unter Beteiligung von nationalen Parlamenten, dem Europäischen Parlament und vor allem auch Bürgerinnen und Bürgern einzuberufen, um über die Zukunft der EU zu diskutieren und eine sinnvolle Reform der EU-Verträge zu beschließen, ist unentbehrlich. Entbehrlich hingegen ist es, eine Renationalisierungsdebatte über EU-Kompetenzen als reines Wahlkampfgetöse anzuzetteln – noch dazu auf derart einfältige Weise ohne Tiefgang.

Die selbsternannte Europapartei ÖVP zeigt einmal mehr auf, dass gerade dann, wenn der Fokus auf parteipolitischen Interessen liegt – wie in einem Nationalratswahlkampf – ihre proeuropäische Haltung schnell zugunsten populistischer EU-Kritik über Bord geworfen wird. Europapolitik ist damit im schlechtesten Sinne in der österreichischen Innenpolitik und ÖVP-Parteipolitik angekommen.

Gestern Abend durfte ich beim ersten Österreichischen Kommunikationstag am Podium gemeinsam mit Vertretern der Parlamentsparteien zum Thema „Ethik im Wahlkampf“ mitdiskutieren. Braucht es ethische Regeln im Wahlkampf? Und wenn ja, wie sollen die ausschauen?

Gleich beim Vorgespräch legte Robert Lugar, Klubobmann des Team Stronach dar, dass sich Stronach für ein Fairnessübereinkommen und eine Abrüstung der Worte im Wahlkampf einsetze. Vorsichtig skeptisch muss man da fragen: Was ist die Absicht eines solchen Abkommens? Es zu fordern und damit die eigene Partei kommunikativ aufzuladen mit dem Thema Fairness? Nicht ganz abwegig, ist dies doch eines der drei Schlagworte die bei Stronach das Programm sind.

Also wozu? Damit dann irgendein Gremium feststellen kann, dass der eine Satz aus dem Programm der einen Partei im Folder der anderen Partei übereinkommenswidrig verwendet wurde? Völlig richtig hier die von ÖVP Wahlmanager Markus Keschmann gebrachten Beispiele aus dem Präsidentschaftswahlkampf Fischer vs. Fererro-Waldner. Bringt’s das also?

Wenn die Absicht einer Handlung nicht moralisch ist – und einen bloßen PR-Gag landen zu wollen ist nicht moralisch – dann ist es auch die Handlung selbst nicht.

Zudem wies Stefan Wallner, Generalsekretär der Grünen ganz richtig darauf hin, dass Politiker sich gegen Untergriffe wehren könnten. Minderheiten jedoch, auf deren Kosten Wahlkampf betrieben wird, nicht. (Stichwort: Daham statt Islam) Mit gutem Beispiel voran wäre hier die Stadt Graz gegangen, die bei der letzten Wahl über den dort eingerichteten Menschenrechtsbeirat ein Wahlkampfmonitoring eingerichtet habe. Freilich ein Monitoring bringt keine Sanktionen, aber Sanktionen bringen wohl nur dann etwas, wenn es die Parteien im Mark trifft, nämlich beim Geld.

Und genau das Geld ist auch der Punkt, der mir bei der Fragestellung und Diskussion gestern zu kurz kam. Wie schaut es denn aus in Österreich mit Parteienfinanzierung, mit deren Transparenz, mit Umgehungsmöglichkeiten. Wie schaut es aus mit überbordenden Inseraten der öffentlichen Hand in Wahljahren? Und was ist mit „amtlicher Wahlwerbung“ wie Volksbefragungen oder Fernsehkampagnen von Ministerien?

Österreich liegt weltweit auf Platz 2 bei der Höhe der Parteienförderung. Pro Kopf und gemessen am BIP hat nur Japan eine höhere. Ca. 30 Euro pro Wahlberechtigten, 200 Millionen Euro im Jahr – Steuergeld – erhalten die im Parlament vertretenen Parteien. Letztes Jahr genehmigten sich die Parteien nochmals einen Zuschlag von 25 Millionen im Jahr. Bei der Transparenz hinkte Österreich lange hinterher, das letztes Jahr beschlossene Transparenzgesetz brachte hier einen großen Fortschritt – bei dem es jedoch Schlupflöcher gibt. So versucht man zum Beispiel über Personenkommittes die Transparenzbestimmungen zu umgehen.

Zum Vergleich: In Deutschland ist das Niveau der Parteienförderung 13mal niedriger. NEOS fordert daher eine drastische Kürzung der Parteienförderung um 75%.

Wirklich empörend ist aber die „amtliche“ Wahlwerbung. Darunter zähle ich Inserate der öffentlichen Hand (die Stadt Wien gab z.B. im ersten Quartal 2013 rund 9 Millionen Euro aus, vorzugsweise an Heute, Österreich und die Kronen Zeitung: http://derstandard.at/1371169666670/Oeffentliche-Hand-warb-im-ersten-Quartal-um-42-Millionen-Euro), aber vor allem auch die beiden Volksbefragungen, die wir im Bund und in Wien heuer im Wahljahr erleben durften. Rein aus wahltaktischen Gründen durchgeführt mit Kosten von über 12 Millionen Euro für den Steuerzahler.

Über die „Wohnbefragung“ der Stadt Wien und die Kinderkampagne des Familienministeriums als „Augenauswischerei der Wähler mit deren Steuergeld“ habe ich schon geschrieben.

Meiner Ansicht nach, ist diese permanente Selbstbedienung der Parteien aus den Steuertöpfen für Wahlkampfzwecke ebenso unethisch. Die Frage ist, ob der Steuerzahler sich am Wahltag wehren wird….

(Dieser Blogbeitrag erscheint auch im NEOS-Journal)

Der Wiener SPÖ Bürgermeister Michael Häupl und der SPÖ Wohnbaustadtrat Michael Ludwig  schicken also diese Woche Broschüren zum Thema Wohnen in Wien an 1,2 Millionen Haushalte. Darin enthalten auch eine erneute Befragung zum Thema zum Thema Wohnen: Zufriedenheit, Mietzinshöhe und die Frage, ob die Stadt Wien sich für mehr Transparenz beim Mietrecht und bei der Mietpreisberechnung einsetzen soll. Erklärender Seitenhieb: Ist Bundesmaterie, namentlich ÖVP Ressort von Justizministerin Beatrix Karl, Stadt Wien kann da gar nichts machen…

Kostenpunkt: 600.000 Euro. Mit den Kosten der letzten Volksbefragung macht das 7,6 Millionen Euro. Steuergelder.

Quasi gleichzeitig startet eine großflächige Werbekampagne von ÖVP Minister Reinhold Mitterlehner gestartet. Für mehr Kinder in Österreich, denn „Kinder halten Österreich jung“.

Kostenpunkt hier: 800.000 Euro.

Wenn man den Wählern Sand in die Augen streut:

Die Kalküle sind in beiden Fällen klar. Wahlkampf ist und man will sich zu bestimmten Themen profilieren. Und vor allem noch eines sollen diese Kampagnen bewirken: Eine Ablenkung von der Tatsache, dass nichts, aber auch überhaupt nichts in beiden Themenfeldern (Wohnen und Familie) passiert ist. Vielleicht wird ja „Stillstand“ das Wort des Jahres 2013.

Der für das Thema „Wohnen“ zuständige Bautenausschuss des Parlaments war über ein Jahr lang untätig. Und das, obwohl das Thema schon länger brodelt. Denn ja: Die Mieten sind zum Teil hoch und fressen einen Gutteil des Netto-Haushaltseinkommen.

Beim Thema Familienförderung gibt es ideologisierte Grabenkämpfe zwischen ÖVP und SPÖ, die sich nicht auf eine Reform einigen können (siehe auch meinen letzten Blogpost). Mangelnde Reformschritte mit einer teuren Plakatkampagne zuzukleben ist „billig“. Zudem stellt sich der kritische Werbekonsument die Frage, ob auch nur ein Kind mehr in Österreich zur Welt kommt aufgrund von Plakaten.

Wenn man den Wählern die Augen mit Steuergeld auswischt

Was bleibt ist eine demokratiepolitische Chupze, nämlich amtliche Wahlwerbung. Bezahlt aus Steuergeldern, zum Nutzen der jeweils hinter den Ämtern stehenden Partei.

Summe Volksbefragung Wien, Wohnbefragung Wien und Plakatkampagne Kinder: 8,4 Millionen Euro. Eine Augenauswischerei mit dem Steuergeld der Wählerinnen und Wähler.

Vielleicht sollte das Steuergeld den Menschen lieber im Börsel gelassen werden. Dann ginge es auch leichter, die Mieten zu zahlen und Kinder groß zu ziehen. Nur so ein Vorschlag, aber ich seh das vielleicht nicht richtig, denn ich hab da noch so einen Schleier vor den Augen vor lauter Augenauswischerei…

Die EU-Kommission hat gestern die Mitgliedstaaten aufgefordert, mehr Anstrengungen zu unternehmen, um Kinderbetreuung weiter auszubauen. Dies sei erforderlich, um das angestrebte Beschäftigungsziel innerhalb der Union von 75% zu erreichen.

Ich sehe das ein bisschen anders. Nicht den notwendigen Ausbau von Kinderbetreuung – das ist extrem wichtig und richtig. Aber die Begründung reicht mir nicht. Ja, es gibt eine positive Korrelation zwischen Kinderbetreuungsangebot und Erwerbstätigkeit von Müttern. Aber es geht mir um zwei weitere Aspekte:

Nicht nur aufgrund unseres Sozialsystems sollte die österreichische Familienpolitik viel daran setzen, dass es mehr Kinder gibt. Zahlreiche Untersuchungen und auch die Erfahrungen skandinavischer Länder zeigen, dass es auch einen Zusammenhang gibt von Kinderbetreuung, Frauenerwerbstätigkeit UND Fertilitätsrate. Und zwar einen positiven: In den Ländern, wo Frauen arbeiten und genügend Kinderbetreuungsmöglichkeiten bestehen, gibt es auch mehr Kinder pro Frau. Natürlich gibt es viele Faktoren, die die Entscheidung für oder gegen Kinder beeinflussen. ABER: Es ist vor allem in Hinblick auf den täglichen Spagat, den Eltern von kleinen (und auch größeren Kindern) leisten, notwendig, massiv in den Ausbau von Kinderbetreuung zu investieren.

Jetzt kann man sagen, dass es in Wien – im Vergleich zum ländlichen Raum – eh noch gut um Kinderbetreuungsplätze bestellt ist. Aber aus eigener Erfahrung und nach Gesprächen mit anderen Müttern weiß ich, dass das auch kein Honiglecken ist, in Wien für unter 3jährige Kinder einen Betreuungsplatz zu finden. Mich amüsiert in diesem Zusammenhang die häufige Frage, nach welchen Kriterien ich den Kindergarten oder die Krippe für meine Kinder ausgewählt habe. Nach einem einzigen Kriterium: verfügbarer Platz!

Österreich gibt im internationalen Vergleich sehr viel für Familien aus. Rund 8,5 Milliarden. Den Großteil machen Transfers aus. Vergleichsweise gering der Anteil der Sachleistungen – also Kinderbetreuung. In Schweden beispielswiese liegt die Sache anders und – hoppla – da gibt es auch mehr Kinder. Und an sich ist man sich bei Runden Tischen auch einig, dass frühkindliche Förderung gerade auch für den zukünftigen Bildungsweg enorm wichtig ist.

Und hier kommt die ideologische Scheuklappe der ÖVP. Rechtzeitig vor der Wahl legt die ÖVP Familienförderungsvorschläge auf den Tisch, die Klientelpolitik pur sind: Ein Steuerfreibetrag von 7.000 Euro pro Kind. Ist doch ein schönes Goodie im Wahlkampf, oder? Pech nur, dass dieses Goodie Unsummen kosten würde und weder die Geburtenrate heben noch die Vereinbarkeit erleichtern noch die Probleme im Bildungsbereich lösen wird. Vergleichsweise läppisch dagegen der Betrag von rund 15 Millionen jährlich, die der Bund derzeit in den Ausbau von Kinderbetreuung investiert.

Nein, das reicht (mir) nicht. Ich will, dass Eltern in 10 Jahren nicht einfach den einzig freien Kindergartenplatz nehmen müssen. Und ich will als Mutter vor allem, dass auch jetzt schon massiv in die Qualität der Kinderbetreuung investiert wird. Ein Rechenbeispiel? In Wien müssen bei Unter-3-Jährigen auf 15 Kinder (maximale Gruppengröße) zwei Betreuungspersonen kommen. Ein so genannter Betreuungsschlüssel von 1:7,5. In Schweden liegt dieser Schlüssel bei 1:4! Jetzt mache ich mal kurz die Augen zu und träume von einer Kinderkrippe, in der eine Pädagogin bzw. ein Pädagoge vier Kinder betreut….

Partizipative Reformansätze rund ums Demokratiepaket wie jener von Armin Wolf werden postwendend als „antidemokratisch“ punziert. Eine Replik.

Das sogenannte Demokratiepaket der Koalition – in Wahrheit ohnehin nicht mehr als ein Paketchen – wurde also wieder einmal vertagt. Dies zum zweiten Mal in Folge und offenbar ohne dass sich seit dem letzten – ergebnislosen – Verfassungsausschuss am 11. April jemand damit substanziell befasst hätte. Die ÖVP will das Demokratiepaket nun deshalb um wesentliche Inhalte abgespeckt in ein schlankes „Volksbegehrenspaket“ umschminken und gibt der SPÖ die Schuld an der Blockade. Die SPÖ sagt, die Opposition bringe keine Vorschläge.

So weit das sattsam bekannte parteipolitische Spielchen in Österreich. Ähnlich verläuft die Diskussion zum Thema ORF-Reform. Das prinzipielle (Lippen-)Bekenntnis zu einer Eindämmung des Parteieneinflusses auf den ORF über Mitglieder des Stiftungsrats liegt schon lange auf dem Tisch. Beim „Wie“ gibt es das übliche „Komm mit – lauf weg“.

Armin Wolf hat in seinem Kommentar einen interessanten Vorstoß gemacht, wie dieser jahrzehntelange Stillstand durchbrochen werden könnte, nachdem weder Regierung noch Parteien noch Parlament dazu bisher in der Lage waren. Kernpunkt seines Vorschlags: Bürgerräte, die per Los zusammengesetzt würden, sollen über einen neuen Modus für die Aufsicht des ORF beraten und entscheiden. Das Parlament solle diesen Vorschlag dann – nach Beratung – in ein Gesetz gießen.

Reflexe

Reflexartig verdächtigte daraufhin der ehemalige Chefredakteur des Standard, Gerfried Sperl, Armin Wolf antiparlamentarischer und antidemokratischer Gesinnung und stellte den ORF-Anchorman in ein Eck mit Frank Stronach, der Parlamentsplätze verlosen will, und mit den Neos, deren Bürgerräte er als Vorstufe zu einer liberalen Räterepublik sieht. (Kolumne Gerfried Sperl: Armin Wolfs Abkehr vom Parlamentarismus)

Ohne den Wunsch nach Vereinnahmung: Im Neos-Eck stünde er besser. Unser Modell der Bürgerräte ist selbstverständlich als sinnvolle partizipative Ergänzung zu einem starken Parlamentarismus zu sehen. Darin einen Vorstoß zu einer Räterepublik zu vermuten und eine Abkehr vom Parlamentarismus ist tatsächlich absurd. Ein kurzer Blick in das Neos-Programm hätte Sperl gezeigt, dass es uns ebenso wenig wie Armin Wolf darum geht, den Parlamentarismus abzuschaffen. Im Gegenteil, wir wollen ihn stärken, denn er ist in keinem guten Zustand. Gewählte Volksvertreter sind Fußfesselträger ihrer Parteien, von Gewerkschaften und Kammern. Das freie Mandat ist graue Theorie. Gesetzesinitiativen gehen fast ausschließlich von der Regierung aus, das Parlament nickt ab. Ein desaströser Zustand, den offenbar auch Sperl nicht ganz ausblendet, wenn er – und da ist ihm inhaltlich voll recht zu geben – eine Reform des Wahlrechts fordert.

Um so unverständlicher, dass Sperl an anderer Stelle geradezu infam argumentiert, indem er Bürgerinnen und Bürgern in überparteilich besetzten Gremien Korrumpierbarkeit durch „Geldköfferchen“ unterstellt. Ein Blick in die Akten des von Rot und Schwarz gestoppten Untersuchungsausschusses zeigt, dass dieses Problem gerade im aktuellen System perspektiven- und fantasieloser Berufspolitiker/-innen besteht. Ein Generalverdacht gegen neue Wege der Partizipation entspricht wohl einer Extremvariante jenes Reflexes, der in Österreich wie das Schnitzel zum Sonntagsmenü zu gehören scheint: Das wird nix, das kann nix, das hat‘ s noch nie gegeben. Nur: Mit althergebrachten Lösungsmodellen kommen wir ganz offensichtlich nicht weiter.

Dieser Kommentar erschien am 8.5.2013 als Kommentar der Anderen im Standard.

Bekomme heute viele (Rück-)Meldungen wegen eines Artikels in der FAZ: „Wehe Du sagst Grüß Gott!“

Vor ein paar Monaten habe ich mich mit der Redakteurin getroffen und über NEOS erzählt. Und darüber, warum ich mich bei NEOS engagiere und aus der ÖVP rausgegangen bin. Gleich vorweg: Finde den Artikel eigenartig. Eine seltsame Stimmung, eine verstörende Intimität und ein für mich befremdliches Portrait von mir selbst. Die Geschichte ist mehr die Geschichte der Redakteurin und ihr Blick auf Österreich als meine Geschichte.

Die Redakteurin wollte den Schwerpunkt setzen auf das Rot-Schwarze Machtkartell in Österreich. Auf das System, das dahintersteht. Sie bezeichnet es als das Netz. Vielleicht, weil damit natürlich auch ein Netzwerk verbunden ist – eines auf das man zählen kann und das man nicht leichtfertig verlässt. Und ja, auch darüber habe ich mit ihr gesprochen, denn es ist für mich persönlich als Mutter zweier Kinder keine leichte (ökonomische) Entscheidung gewesen, mit einer neuen Partei mich auch gegen die ÖVP zu stellen. Gemütlicher wäre es im großen Schoß gewesen.

Die Redakteurin wollte begreifen, was es denn heißt, wenn zwei Parteien sich das Land aufteilen. Sie wollte Geschichten dazu. Die zwei Autofahrerklubs, Sportvereine – ja, aber konkret, welche? Die Bestellung von Schuldirektoren nach Parteibuch, von Primariaten, von der Durchdringung der Lebensbereiche und der politischen Sozialisation in einem solchen Land. Und meine Geschichte, die sie angsterfüllter gedeutet hat als ich sie selbst sehe.

Ich habe berichtet davon, wie ich als Kind politisch sozialisiert wurde. In einem bürgerlichen Haushalt. In einer Zeit, in der SPÖ und ÖVP gemeinsam über 90% der Stimmen hatten. Eine Zeit, in der zwei mächtige politische Blöcke im Parlament gesessen sind – daneben nur eine andere Partei mit damals marginalen Wahlerfolgen.

Beide Großparteien haben das Land wiederaufgebaut und dem Land ihren Stempel aufgedrückt. Ein System der Sozialpartnerschaft daneben gebildet, das diese geteilte Macht abbildet und festschreibt. Ein Machtsystem, das vom Parlament bis in die Gemeinden reicht, von den Standesvertretungen bis hin zu Musik- oder Sportvereinen.  Von den Vorstandsebenen von staatlichen oder staatsnahen Unternehmen, in die Verwaltung, in die Universitäten bis zu den Schulen. Ein System, das viele Lebensbereiche durchdringt bis hin zur Grußformel.

Ja, das habe ich der Redakteurin geschrieben – ein plakatives Beispiel dafür, wie sehr dieses Lagerdenken den Alltag in Österreich geprägt hat. Ich hab das so erlebt. Ich bin 78 geboren, aber selbst bei einem Ferialjob Ende der 90er Jahre wurde mir gesagt, dass ich besser Guten Tag statt Grüß Gott sagen solle. (Dem Dilemma konnte man natürlich mit einem beherzten „Mahlzeit“ nach 11 Uhr morgens gut entgehen)

Ein durch einen Bürgerkrieg vor 80 Jahren geteiltes Land? Ich würde eher sagen, ein konsensual aufgeteiltes Land.

Jetzt die Schlüsselfrage: Ist das immer noch so? JEIN.

SPÖ und ÖVP können von gemeinsamen Mehrheiten über 90% nur mehr träumen. Man muss nur die Wahlergebnisse fortschreiben um zu sehen, dass sie keine Mehrheit mehr haben werden. Das Parlament ist bunter geworden, so sitzen bspw. die Grünen sind seit den 1986 im Parlament, im Übrigen die einzige politische Gruppierung, der alleinstehend der Einzug gelungen ist. Die politischen Zeiten haben sich geändert wie auch das Leben der Menschen. Von der Wiege bis zur Bahre war einmal. Und ja, auch die Grußformeln sind bunter ;-).

Aber das rot-schwarze Machtsystem existiert immer noch. Genau 42mal werden die Sozialpartner im Regierungsprogramm der aktuellen Rot-Schwarzen Regierung erwähnt. „In Abstimmung mit den Sozialpartnern“, „Nach Vorschlag der Sozialpartner“ liest man an vielen Stellen. Ich weiß es, ich habe damals mitverhandelt.  Anfang des Jahres wurde eine Regierungs-interne Liste der noch rasch vor der Wahl zu verteilenden Spitzenjobs den Medien zugespielt. Klare Aufteilung, konsensual, da ein Roter – dort ein Schwarzer.

Das System bröckelt, das dürfte auch SPÖ und ÖVP bewusst sein. Und von sich aus wird dieses System keine Erneuerung schaffen. Das „System“ kann ich jetzt persönlich auch auf die ÖVP übertragen. Auch hier sehe ich keine Erneuerungsmöglichkeiten von innen heraus. Deshalb bin ich raus. Aber nicht als Opfer, sondern im Glauben, jeden Tag neue Entscheidungen treffen zu können und etwas verändern zu können. Zum Besseren.

Der Montag war kein guter Tag für die österreichische Demokratie. Nicht mal 70.000 Unterstützungen für das Volksbegehren „Demokratie jetzt!“ sind kein gutes Ergebnis.

Persönlich für mich enttäuschend, da ich dieses Volksbegehren mit Leibeskräften unterstützt habe.

Da gibt es natürlich die verschiedensten Erklärungsversuche. Angefangen von Fehlern, die seitens der Initiatoren sicherlich auch gemacht wurden – mangelnde Mobilisierung und zu wenig Augenmerk aufs Geldaufstellen. Da gibt es die Komplexität des Themas, Lippenbekenntnisse seitens der Regierungsparteien für mehr Demokratie und mangelnde mediale Aufmerksamkeit, besonders seitens des ORF.

Persönlich glaube ich aber vor allem eines: die Menschen in Österreich haben das Gefühl verloren, dass sie durch ihre Unterschrift etwas bewegen können. Wir erinnern uns: Das Bildungsvolksbegehren haben über 380.000 Menschen unterstützt. Und was ist passiert? Nichts! Es wurde – pardon – einfach gekübelt. Selbst das erfolgreichste Volksbegehren gegen den Bau des Konferenzzentrums in Wien, das von mehr als 1,3 Millionen Österreicherinnen und Österreichern unterstützt wurde, brachte letztlich nichts: das Konferenzzentrum wurde gebaut.

Gleichzeitig wurden die Menschen in den vergangenen  Monaten geradezu zuplakatiert aufgrund von Volksbefragungen oder Landtagswahlen. Instrumente der direkten Demokratie wurden von Seiten der Parteien für Wahlwerbung missbraucht. Eine unsägliche Volksbefragung zur Wehrpflicht gefolgt von einer noch unsäglicheren in Wien. Die Menschen sind dadurch ermüdet.

Partizipation ist wichtig, kann aber nur dann funktionieren – das Feuer entfachen und am Brennen erhalten -, wenn sie ernst gemeint ist.

Aktuelles Beispiel: die Wiener Linien. Relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit werden die Flüssiggas-betriebenen Busse umgestellt auf eine Busflotte mit Dieselmotoren. Dass diese neue Busflotte eine höhere Feinstaubbelastung bringen wird, bestätigen Experten.

Was machen die Wiener Linien? Sie eröffnen den Wienerinnen und Wienerin die Möglichkeit über das äußere Erscheinungsbild der Busse abzustimmen. Das ist doppelt bescheuert: Erstens wird so Partizipation vorgegaukelt, um über das wesentliche Kernthema, nämlich die stärkere Umweltbelastung durch dieselgetrieben Busse, nicht diskutieren zu müssen. Zweitens hat man die Wahl zwischen Rot mit bisschen Weiß oder mehr Rot mit bisschen weniger Weiß. Feine Sache! Da fühlt man sich ja richtig involviert. Erinnert an die Abstimmung darüber welche Sprecherin die Durchsagen in den U-Bahnen machen darf. Scheindemokratie…

Immerhin haben aber knapp 70.000 Menschen mit ihrer Unterschrift zum Ausdruck gebracht, dass sie der Meinung sind, dass das demokratische System in Österreich beschädigt ist. Und über 380.000 Menschen sind aufgestanden FÜR eine echte Schulreform.

Wir wollen als NEOS diesen Menschen eine Stimme geben. Wenn es nicht von außen durch ein Volksbegehren funktioniert, dann halt im Parlament selbst. Wir kämpfen weiter und tragen die Forderungen ins Hohe Haus. Wir lassen das Feuer der aktiven Teilhabe an Politik brennen.

Seit heute auch mit mehr online Partizipationsmöglichkeiten und viel Know-How. Die Online Partei Österreich goes NEOS!

Dieser Artikel erschien auch im NEOS Journal.