Wir stehen vor den Scherben des Pandemiemanagements.
Die Entwicklungen der letzten Tage erschüttern mich – und das Bild, dass die Regierung dabei abgibt, macht mich persönlich wirklich wütend. Allen, die sich ein wenig mit der Corona-Pandemie auseinandergesetzt haben, war klar: Wenn wir es über den Sommer nicht schaffen, die Impfquote zu heben, dann steht uns eine vierte Welle bevor. Und diese Regierung, von Altbundeskanzler Kurz, über Bundeskanzler Schallenberg bis zu Gesundheitsminister Mückstein, hat nichts dazu getan, um diese Situation zu vermeiden. Im Gegenteil: Aus Angst vor Gegenwind im oberösterreichischen Landtagswahlkampf wurde Corona über den Sommer einfach für beendet erklärt (zumindest für die Geimpften) und damit ausgeblendet.
Die Menschen wurden wie kleine Kinder von oben herab behandelt, von einer Kommunikation auf Augenhöhe ist nach wie vor nichts zu sehen – und damit auch keine Anreize, die die Menschen zur Impfung bringen. Ganz allein mit Eigenverantwortung geht es nicht, aber es rächt sich nun auch bitterlich, dass ÖVP und Grüne seit Beginn der Pandemie gar nicht auf Eigenverantwortung, sondern rein auf autoritären Stil gesetzt haben. Vor einem Jahr haben wir bereits vorgeschlagen, dass eine Impfkampagne mit Influencern aufgesetzt werden soll. Seither haben wir regelmäßig neue Vorschläge unterbreitet: Impftermine, die von der Sozialversicherung an Ungeimpfte verschickt werden, Impflotterien, niederschwellige Impfangebote auf Kirtagen oder Festivals im Sommer. Es ist nichts passiert. Die Zeche für das Versagen der Regierung zahlen wir alle heute.
Wir stehen vor den Scherben des Pandemiemanagements. So viele Menschen engagieren sich seit Monaten, tragen alle Maßnahmen mit, lassen sich impfen – und trotzdem stehen wir vor der gleichen Situation wie noch vor einem Jahr, weil die Regierung seit Monaten zögert und zaudert. Die Geimpften dürfen aber nicht die Dummen sein! Da die Regierung offensichtlich nicht in der Lage ist, die Krise zu bewältigen, schlagen wir ein zentrales Pandemiemanagement bestehend aus Experten vor, die uns Maßnahmen aufzeigen, wie wir diese durchaus verhinderbare vierte Welle jetzt durchbrechen können.
Gleichzeitig hat die Regierung jedoch nicht die Ehrlichkeit zu sagen, wo wir überall sonst nicht gut dastehen: in der Bildung, in den Gesundheitsberufen, die sich völlig zurecht nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen, in der Standortpolitik, die hohe Steuern- und Abgabenlast, der Föderalismus, Digitalisierung. Corona hat uns das alles deutlich vor Augen geführt. Der Regierung fehlt offenbar der Mut, unser Land in die Zukunft führen zu wollen. Diese Woche wird im Parlament das Budget 2022 diskutiert – und dabei wird rasch klar: in die Zukunft wird jedenfalls nicht investiert.
Wie will die Bundesregierung dafür sorgen, dass Österreich auch noch in zehn Jahren wettbewerbsfähig ist? Dass der Standort Österreich attraktiv ist? Dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter endlich mehr verdienen und weniger kosten? Dass unsere Kinder die beste Bildung bekommen? Und Österreich ein echtes Vorbild in Sachen Klimapolitik wird?
All diese Fragen werden nicht beantwortet. Selbst die angekündigte Steuerreform wird nur ein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben – solange die Kalte Progression nicht abgeschafft wird, die Lohnnebenkosten nicht gesenkt werden und endlich mutige Schritte hin zu einer echten Ökologisierung unseres Steuersystems angegangen werden, bleibt sie nur ein Drehen an kleinen Schrauben.
Wir können Österreich die Flügel heben. Aber dafür braucht es Regierungsparteien mit Mut, Veränderungswillen und Reformkraft. Diesen Mut, größere Schritte zu tun, vermisse ich.
Mein Gastbeitrag aus der Wiener Zeitung.