Wir brauchen einen Neustart für eine Politik der sauberen Hände.
Am Mittwoch, 10. November, wurde bekannt, dass die WKStA Anklage gegen Christoph Chorherr eingebracht hat. Die Vorwürfe: Amtsmissbrauch, Bestechlichkeit und Bestechung. Es geht unter anderem um das „Heumarkt-Projekt“, um die Frage der finanziellen Verbindungen zwischen Immobilieninvestoren und dem „obersten Bauherrn Wiens“ und die Frage, welche Interessen dabei vertreten wurden: Die der Menschen im Land oder die der Investoren? Für mich steht aber auch in diesem Verfahren, wie ja auch in dem gegen Ex-Kanzler Kurz und seiner Clique, die Frage im Vordergrund, wie wir zu einer politischen Kultur kommen können, in der die viel beschworene „Rote Linie“ nicht mehr das Strafrecht ist. Diese Causa ist einmal mehr der Beweis, dass wir einen Neustart für eine Politik der sauberen Hände brauchen.
Aber der Reihe nach: Seit dem erstmaligen Einzug der NEOS in den Wiener Gemeinderat beschäftigte ich mich mit dem Heumarkt Projekt. Der Investor Michael Tojner plante, das Areal rund um den Wiener Eislaufplatz samt dem Intercontinental nicht nur neu zu gestalten, sondern auch das Hotel gemeinsam mit einem Wohnungs- und Bürokomplex neu zu bauen. Dazu brauchte es einen neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan. Ein politisch viel diskutiertes Unterfangen – liegt der Komplex doch in der von der UNESCO durch das Weltkulturerbe definierten Schutzzone. In der Rot-Grünen Stadtregierung fand Tojner Unterstützung, insbesondere im Planungssprecher der Grünen – Christoph Chorherr. Chorherr gerierte sich in der Zeit von Rot-Grün als „oberster Bauherr“ Wiens. Ohne seine Zustimmung geschah nichts. So sein Ruf, zu dem er selbst gerne und viel beitrug.
In der entsprechenden Gemeinderatssitzung 2017 zeigte ich – als einzige – auf, dass es schon länger finanzielle Verbindungen zwischen Michael Tojner und Christoph Chorherr gab, und zwar über Chorherrs Verein s2arch, der unter dem Namen Ithuba Schulen in Afrika baut. Der Investor Willi Hemetsberger hatte 2008 die Montana Capital Financial Service AG von Tojner mehrheitlich übernommen und bald darauf in Ithuba umbenannt. Die Ithuba Capital AG zahlte wie man hörte Lizenzgebühren an den Verein für den Namen – als Ausdruck der sozialen Verantwortung. Noch bis Ende 2012 hielt Tojner 10% der Anteile und war stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Ithuba Capital AG. Zu dem Zeitpunkt war er schon Eigentümer des Intercontinentals und des Areals des Wiener Eislaufvereins.
Von konkreten Spenden Tojners oder anderer Bauträger an Chorherrs Verein wusste ich damals noch nichts. Es gab Gerüchte, aber dadurch, dass Chorherr und sein Verein niemals transparent Spenden offen legte, stieß ich mit meiner Recherche an Grenzen.
Erst im Oktober 2017 wurden Teile von Spendenlisten bekannt und damit klar, dass die Frage jedenfalls der Unvereinbarkeit mit seinem politischen Mandat oder eben sogar strafrechtlicher Vorgänge weit über das Projekt Heumarkt hinaus relevant sein könnten.
2017 war es nicht das Strafrecht mit dem ich argumentierte, sondern das Prinzip der Unvereinbarkeit. Bedauerlicherweise wurden solche Grenzen nie gezogen. Auch nicht durch Journalisten, die – diese Bemerkung möchte ich mir erlauben – ganz offensichtlich mit zweierlei Maß messen, wenn es um Fragen des Fehlverhaltens von Grünen Politikern geht. Argumente wie: „Das ist ja ein gemeinnütziger Verein!“ kamen nicht von Anwälten Chorherrs, sondern von Journalisten als selbst ernannte Verteidiger. Welch stundenlange Twitterdiskussionen hab ich geführt!
Ich selbst wurde von der WKStA als Zeugin in der Causa befragt. Im Frühjahr 2017 stand im Raum, dass Michael Tojner NEOS auf Bundesebene bei einer Kampagne unterstützt. Ich habe mich intern klar dagegen ausgesprochen Spenden anzunehmen, da gleichzeitig die Heumarktabstimmung bevorstand. Auch entsprechende Transparenz hätte die darauffolgenden Unvereinbarkeiten nicht behoben. Dass es Tojner explizit darum ging, NEOS zu unterstützen, DAMIT wir seinem Projekt die Zustimmung im Gemeinderat erteilten, kann ich nicht bestätigen. Nachdem die grüne Urabstimmung negativ zum Projekt Heumarkt ausging, wurde scheinbar nach einem Plan B für möglicherweise fehlende Grünstimmen gesucht. Da trat Tojner an mich als Klubobfrau der Gemeinderatsfraktion der NEOS in Wien heran und fragte mich, was es für unsere Zustimmung bräuchte. Für uns war klar, dass es untragbar war für ein Projekt wie dieses die Bestimmungen des Vertrags mit der UNESCO zum Weltkulturerbe zu verletzen und den Weltkulturerbestatus zu gefährden. Ich schlug einen Bürgerrat vor, der sich genau diesem Spannungsverhältnis widmen sollte: Wie lassen sich Flächenwidmung einer lebendigen Stadt und Weltkulturerbe vereinen. Ein Bürgerrat der Stadt Wien, nicht von einem Investor. Schon kurz darauf war klar, dass es maximal einen behübschten „NEOS-Werbeprozess“ mit Scheinpartizipation bezahlt von Tojner gegeben hätte. Da habe ich dankend abgewunken.
Letztlich geht es mir aber nicht um uns und um den Prozess, der kommen wird. Mir geht es hier – wie auch in anderen Strafverfahren gegen Politiker – darum, dass das Strafrecht eben genau nicht die entscheidende rote Linie sein darf. Politikerinnen und Politiker sollen in der Sache entscheiden, immer den Menschen in den Mittelpunkt stellen und nicht im Interesse einer Person handeln. Finanzielle Verbandelungen, andere Seilschaften etc. sind regelmäßig dazu geeignet, eine Entscheidung subjektiv zu verfälschen oder zumindest den Anschein zu erwecken, Politiker würden nicht das Interesse der Menschen in Österreich vertreten, sondern das von Spendern, Freunden, etc. Wobei mir wichtig ist zu betonen: Spenden an sich, sofern sie transparent ausgeschildert werden, was für uns NEOS von Beginn an selbstverständlich ist, sind nicht das Problem. Es braucht schon viel früher klare Unvereinbarkeitsregeln. Nicht alles jedoch lässt sich regulieren. Daher sind andere Checks and Balances in der Demokratie ein wesentlicher Faktor. Dazu zählen unabhängige Medien, die nicht mit zweierlei Maß messen, je nachdem welche Partei betroffen ist. Dazu zählt aber auch der nun hoffentlich wachsende Teil der Menschen in Österreich, die Freunderlwirtschaft und Korruption nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen, sondern nach einem echten Neustart für eine Politik der sauberen Hände rufen.