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Gibt es Preisabsprachen und wettbewerbsfeindliche Praktiken bei Aufträgen von Landesenergieversorgern?

„Nur ein freier und fairer Wettbewerb ermöglicht die besten Konditionen. Unlautere Methoden beeinträchtigen den Wettbewerb und schaffen einen massiven Schaden für die Unternehmen der öffentlichen Hand und damit für den Steuerzahler. Es ist endlich an der Zeit, darüber in Österreich zu reden und den Kampf gegen Korruption und Wettbewerbsverstöße entschlossen aufzunehmen.“

2015 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Mitarbeiter von Baufirmen und Fernwärme Wien wegen unzulässiger Preisabsprachen. Die sogenannte „Fernwärme-Causa“ brachte schließlich auch den Stein ins Rollen für unsere Ermittlungen in Sachen wettbewerbsfeindlicher Praktiken, möglicher Preisabsprachen sowie des Verdachts des Betrugs, schweren Betrugs, der Untreue und wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Vergabeverfahren.

Aber alles der Reihe nach...

Fernwärme Wien

Ein Unternehmer aus der Rohrleitungsbaubranche, Herr P., wandte sich 2016 mit einem Berg von Akten an NEOS. Jener Herr P. war in Justiz- und Medienkreisen schon länger bekannt als derjenige, der die Fernwärme Causa ins Rollen gebracht hat.

Er behauptete, Mitarbeiter der Fernwärme Wien hätten Informationen an Mitbewerber weitergeben und so Preisabsprachen bei Aufträgen rund um Rohrleitungsbauten ermöglicht. Konkret seien Preisspiegel mit den Angeboten sämtlicher Mitbewerber an bestimmte Unternehmen weitergeben worden.

Diese Vorwürfe hat der betroffene Unternehmer immer wieder der Rechtsabteilung der Wiener Stadtwerke und dem Kontrollamt Wien angezeigt. Passiert ist aber lange nichts.

Schon 2001 stellte das Kontrollamt in einem Bericht zur Prüfung der Vergabe von Rohrleitungsbauten fest: „Der Gleichklang in der Preisgestaltung des Bauteils zwischen den genannten Generalunternehmern und den Gewerksanbietern konnte nach Meinung des Kontrollamts nur auf einen regen Informationsaustausch über die Preisgestaltung beruht haben.“

Bemerkenswert, dass fast 10 Jahre danach dieselben Praktiken offenbar Gang und Gäbe waren, ohne dass sich bei der Fernwärme jemand daran gestoßen hätte.

Herr P. wandte sich an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), 2011 erstatteten die Stadtwerke auch Selbstanzeige.

2012 veranlasste die FPÖ eine umfassende Prüfung der Vergabepraxis durch den Wiener Stadtrechnungshof.

2015 leitete die Staatsanwaltschaft eben dieses Strafverfahren ein, das in erster Instanz in Schuld-, aber auch Freisprüchen von Mitarbeitern von Baufirmen sowie Freisprüchen der Mitarbeiter der Fernwärme Wien endete. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein. Das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Die Fernwärme entließ  – trotz Freispruchs – die betreffenden Mitarbeiter, ein arbeitsrechtliches Verfahren läuft noch. Im Zuge dieses Verfahrens wurden immer wieder auch Zuwendungen seitens von Baufirmen an die Mitarbeiter angesprochen. Die Rede ist von Einladungen, Gutscheinen oder ähnlichem. Auch dieses Verfahren ist noch im Laufen.

Schließlich legte der Wiener Stadtrechnungshof 2016 einen Bericht vor, in dem erneut die auffallend übereinstimmende Preisgestaltung der Bieterinnen festgestellt wurde.

So weit so bekannt.

Herr P. übergab uns auch einige Aktenordner bezüglich anderer Causen bzw. Verfahren bei anderen Landesenergieversorgern.
Konkret handelt es sich dabei um Folgende:

Salzburg AG

Im Jahr 2006 soll ein Mitarbeiter eines Unternehmens A, das Mitbewerber jener Firma war, in dem Herr P. damals beschäftigt war, per Mail ein vorgefertigtes Leistungsverzeichnis übermittelt haben – mit der Absicht, dass Herr P.  ein überhöhtes Deckangebot für ein von der Salzburg AG ausgeschriebenes Projekt abgibt. Dies wurde von Herrn P. auch leitenden Mitarbeitern der Salzburg AG angezeigt.

2013 machte Herr P. eine Eingabe bei der WKStA, es wurden auch Hausdurchsuchungen durchgeführt. Der Stand des Verfahrens ist nicht öffentlich bekannt.

EVN

2011 erfolgte eine zweistufige Ausschreibung für einen Rahmenvertrag zur Lieferung und Verlegung von Fernwärmeleitungen. Im Zuge dieser Ausschreibung kam es laut Herrn P. erneut zu einer Aufforderung eines bietenden Unternehmens B an Herrn P., ein Deckoffert zu legen. Herr P. informierte einen führenden Mitarbeiter der EVN. Herr P. gab ein Angebot ab, später – nachdem das Verfahren bei der WKStA schon im Laufen war – wurde klar, dass das Angebot von Herrn P. das billigste gewesen wäre.

Die EVN multiplizierte daraufhin die eingereichten Angebote nach Einheitspreisen mit Mengen. Nachdem Verhandlungen stattgefunden hatten, gewährte das Unternehmen B einen Preisnachlass von 18,52% und bekam daraufhin auch den Zuschlag.

Wir haben mit Vergabeexperten die Akten studiert. Es wurde bestätigt, dass

  1. bereits die ursprüngliche Ausschreibung ohne jegliche Angaben von Mengen unzulässig war und
  2. durch die nachträgliche Einspielung der Mengen das Zuschlagskriterium geändert wurde und damit neu ausgeschrieben hätte werden müssen.

Dass bei der Veröffentlichung der Zuschlagserteilung der Billigstpreis nicht mitgeteilt wurde, verstößt ebenso gegen das Bundesvergabegesetz.

KELAG Wärme GmbH

2010 veröffentlichte die KELAG eine Ausschreibung für einen Rahmenvertrag für Montagearbeiten. Bis spätestens 9.3.2010, 12.00 Uhr, mussten die Bewerber ihre Angebote in einem verschlossenen Kuvert bei der KELAG abgeben.

Herr P. gibt an, wieder von einem Mitbewerber, Unternehmen C, kontaktiert worden zu sein, um ein Deckangebot abzugeben – mit dem Hinweis auf bestehende vertikale Absprachen. Herr P. legte ein Angebot. Danach wurden die Bieter aufgefordert, ein letztgültiges Angebot bis 23.3.2010 zu legen. Am 24.3. – also nach Ende der Angebotsfrist  – stempelte die KELAG ein Summen-Konditionsblatt mit einem Nachlass des Letztpreisangebots des Unternehmens C ab. Damit sank das Letztangebot und das Unternehmen C erhielt den Zuschlag.

Herr P. schaltete die WKStA ein, die jedoch 2014 das Ermittlungsverfahren einstellte.

2016 veröffentlichte der Bundes-Rechnungshof das Ergebnis der Überprüfung der KELAG Wärme GmbH, die erst durch die Eingaben des Herrn P. ins Rollen gebracht worden ist.

Das abschließende Urteil:

„Die der KELAG Wärme GmbH bei fast allen vom RH überprüften Vergabeverfahren, Leistungsabwicklungen und –abrechnungen unterlaufenen Mängel ergaben ein Einsparungspotenzial von rd. 3,31 Mio. EUR. Einige Vergabemängel wären bei gesetzesgemäßen Vergabeverfahren gemäß Bundesvergabegesetz 2006 erheblich und unbehebbar gewesen; bei deren Auftreten wäre der Auftraggeber zur Ausscheidung der Angebote verpflichtet gewesen und hatte diesbezüglich kein Ermessen. Viele der Mängel im Vergabeverfahren beeinträchtigten die Transparenz des Vergabeverfahrens, den freien und lauteren Wettbewerb sowie die Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung der Bieter.“

Herr P. bringt Klage auf Schadenersatz ein, das Landesgericht Klagenfurt gewährt ihm Verfahrenshilfe. Damit ist aber klar, dass das Gericht die Klage für nicht gänzlich aussichtslos hält. Am 2. Mai 2018 wird die erste Verhandlung stattfinden.

Unser Fazit

Nach der Einschau und dem Aktenstudium von tausenden Seiten in diesen Causen besteht der Verdacht, dass es bei Aufträgen seitens Landesenergieversorger systematisch zu Preisabsprachen – und zwar horizontal wie auch vertikal –  kommt.

Es ist klar und auch teilweise bestätigt, dass Vergabeverfahren vergaberechtswidrig gelaufen sind. Es ist auch klar, dass das nicht automatisch heißt, dass das auch strafrechtlich relevant ist.

ABER: Durch die Zusammenschau all dieser Causen und auch durch die Aussagen in diversen Protokollen erhärtet sich der Verdacht, dass

  1. Mitarbeiter der Landesenergieversorger von den rechtswidrigen Vergabepraxen gewusst und womöglichauch mitgewirkt haben
  2. Dass es lebensfremd und fern jeglicher Realität wäre, wenn zufällig bei all diesen Verfahren einfach bloß das Vergaberecht nicht eingehalten wurde, sondern, dass dies aus Gründen passiert ist, die einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt ergeben
  3. Dass zuständige Stellen und leitende Angestellte wenig unternommen haben, um vergaberechtswidrige Verfahren zu unterbinden oder Preisabsprachen zu verhindern bzw. auch aufzuklären.
  4. Dass dadurch nicht das für die Energieversorger und auch die Steuerzahler beste – weil günstigste Angebot – zum Zug gekommen ist

Wir gehen davon aus, dass der Schaden, der hier entstanden ist, enorm ist: Für die Unternehmen und auch für den Steuerzahler.

Aus diesem Grund sehen wir den begründeten Verdacht der Untreue, des Betrugs – des schweren Betrugs – und wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Vergabeverfahren. Das betrifft nicht nur die bietenden Unternehmen, sondern auch Mitarbeiter der Landesenergieversorger.

Zusätzlich wäre dringend eine Verantwortung der Unternehmen nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz zu prüfen. Denn in all diesen Causen wurden leitende Stellen von einer vergaberechtswidrigen (oder vielleicht sogar strafrechtlich relevanten) Praxis in Kenntnis gesetzt und haben definitiv nicht alles unternommen, um Korruption wirksam – und vor allem nachhaltig – zu bekämpfen.

Wenn das so ist, dann haben wir auch ein massives Problem in Sachen fairen Wettbewerbs in Österreich.

Aus all diesen Gründen haben wir nun eine Anfrage an das Justizministerium gestellt, welchen Stand die Verfahren haben, aus welchen Gründen Verfahren eingestellt wurden, ob nicht genügend Gründe für die Wiederaufnahme gegeben sind und ob nicht die systematische Zusammenschau ein Bild zeichnet, dass einen dringenden Ermittlungsbedarf seitens der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ergibt. Eine umfassende Sachverhaltsdarstellung wird ebenfalls von uns auf den Weg gebracht – und zwar sowohl an die Staatsanwaltschaft als auch an die Bundeswettbewerbsbehörde. Nur ein freier und fairer Wettbewerb ermöglicht die besten Konditionen. Unlautere Methoden beeinträchtigen den Wettbewerb und schaffen einen massiven Schaden für die Unternehmen der öffentlichen Hand und damit für den Steuerzahler. Es ist endlich an der Zeit, in Österreich darüber zu reden, den Kampf gegen Korruption und Wettbewerbsverstöße noch entschlossener aufzunehmen.

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