Zum internationalen Tag der Pressefreiheit: Das bedenkliche Demokratieverständnis der Sektion 8

Die Stadt Wien und ihre verbundenen Unternehmen schalten jährlich Inserate in Zeitungen um rund 50 Millionen Euro. Der Wert schwankt, geht möglicherweise zurück, transparent nachvollziehbar ist er nicht. Denn es gibt eine Bagatellgrenze unterhalb der die Ausgaben nicht gemeldet werden müssen. Die genaue Zahl zu eruieren ist auch für die Opposition unmöglich, die klare Beantwortung wird von Seiten der zuständigen Stelle schlicht verweigert. So weit zum Demokratieverständnis der Wiener Stadtregierung, das sich auch nicht unter Grüner Regierungsbeteiligung geändert hat.

Auf Bundesebene schalteten die Ministerien 2016 Inserate um rund 27 Millionen Euro.  Die öffentlichen Stellen geben damit nahezu gleichviel Steuergeld für Inserate aus wie die Ministerien im zehnmal größeren Deutschland

Eigentlich sollte es in Inseraten der öffentlichen Hand ja darum gehen, die Öffentlichkeit über wichtige Anliegen, wesentliche Bürgerrechte oder Neuerungen in der Verwaltung zu informieren (etwa: „Wann beginnt die Schuleinschreibung?“ oder von mir aus sogar „Wo liegt der nächste Mistplatz?“). Jedenfalls darf der Zweck niemals sein sich als Politiker_in selbst via Steuergeldinserat zu inszenieren. Und schon gar nicht sollte in einer Demokratie von der Politik der Versuch unternommen werden, sich öffentliche Meinung zu erkaufen. Oder sich zumindest schlechte Publicity vom Hals zu halten.

Ich weiß um die Missstände, die es in Wiens Schulen gibt, sie sind leidlich bekannt: Da gibt es trotz gegenteiliger Wahlversprechen immer noch nur eine Handvoll Sozialarbeiter_innen für ganz Wien, zu große Klassen, zu wenig Angebot für qualitativ hochwertige Nachmittagsbetreuung… Man stelle sich vor, die Stadt würde die 50 Millionen Euro statt in Eigenwerbung per Inserat in unsere Schulen stecken! Dass das nicht einmal im Ansatz passiert, macht mich unglaublich wütend. Und die Inserate sind nur die Spitze eines Bergs an Steuermillionen, die für Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben wird. „Mein Wien ist Wau!“ plakatiert derzeit zum Beispiel die Stadt in City Lights der Stadt. Ein nettes Kind, ein netter Hund, alles in Butter, oder? Wir lullen euch ein, bis ihr das Kreuzerl wieder an der richtigen Stelle macht. Gleichzeitig verschaffen wir befreundeten Agenturen lukrative Aufträge oder füttern ein paar Unternehmen, die SPÖ-nahe sind wie die Gewista.

Jetzt ist es ausgerechnet die Sektion 8 der SPÖ Wien, die gegen die Inserate mobil macht. Aber nur gegen jene, die an den Boulevard gehen. Geht es nach der Sektion 8, so sollen Heute, Österreich und die Kronen Zeitung nicht mehr so viel vom Steuerkuchen der Inserateküche abbekommen. Zumindest dann nicht, wenn sie wiederholt gegen den Ehrenkodex des Presserats verstoßen.

Nun ist das so eine Sache mit den Inseraten. Denn wie eingangs erwähnt, dienen sie EIGENTLICH der Information. Das heißt, die EIGENTLICH ENTSCHEIDENDE Frage ist die der Reichweite des betreffenden Mediums: Denn als öffentliche Stelle muss es mein vorrangiges Ziel sein, dass die Information, die per Inserat geschalten wird, auch möglichst viele Menschen erreicht. Ergo ist das Schalten dieser Information in reichweitenstarken Medien am effizientesten. Und das ist wiederum im Interesse der Steuerzahler. Eigentlich. Bleiben wir bei dem „Eigentlich“ als Gedankenspiel. Der Sektion 8 passt der Inhalt der Medien Heute, Österreich und Krone nicht. Das gibt sie unumwunden zu: https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1535071643179381&substory_index=0&id=197290196957539

Deshalb gehören die Inserate gekürzt. #KeinGeldfuerHetze heißt es da bei der Sektion 8. Was Hetze ist, bestimmt die Parteisektion. Bei so einem Demokratieverständnis wird mir angst und bange. Denn die Botschaft ist klar: „Liebe Mutterpartei SPÖ Wien: Die Inserate nutzen nichts, die schreiben trotzdem negativ über uns. Bitte inseriert nicht mehr dort.“

Wer mangelnde Qualität im Journalismus beklagt, sollte die Medienförderung an qualitativen Inhalt und Journalistenausbildung knüpfen. Wer Gratisboxen in der U-Bahn für Heute und außerhalb der U-Bahn für Österreich nicht will, soll Lösungen bieten für alle Gratiszeitungen an ein und demselben Ort. Fairer Wettbewerb heißt das Stichwort. Biber und Co. wären da doch auch gut aufgehoben. Wer die Anfütterung von Medien mit Millionen an Steuergeld für Inserate nicht will, soll die Ausgaben kürzen, deckeln und zentral von einer Stelle vergeben lassen, wie NEOS das vorschlägt. Wer aber glaubt, dass Inserate EIGENTLICH der Information dienen, soll sich nach Reichweite und Zielgruppengenauigkeit umsehen und nicht „böse Inhalte“ bestrafen. Wer Medienmündigkeit möchte, der soll in Bildung investieren und endlich Medienkompetenz an unseren Schulen vermitteln lassen.

Und wer Pluralismus in der Medienlandschaft nicht aushält, der soll sich fragen, ob er sich in Trumps Amerika nicht doch wohler fühlt.