Weiß wählen? Position beziehen und entscheiden!

Der zweite Wahlgang der Bundespräsidentenwahl kommt näher und damit auch die Frage: Wohin wird sich Österreich entwickeln? Die Polarisierung in Gut gegen Böse, Schwarz gegen Weiß, Links gegen Rechts ist unerträglich. Ebenso unerträglich wie die mehr oder weniger gesitteten verbalen Schlagabtäusche. Ich beteilige mich daran nicht. Viele halten es so und beteiligen sich an der Polarisierung nicht. Viele beteiligen sich jedoch gar nicht: Viele meiner Bekannten werden weiß oder gar nicht wählen. Alle diese Weißwähler haben übrigens zuvor Griss gewählt. Ich kann nachvollziehen, dass weiß wählen, wenn beide Kandidaten nicht zusagen, auch eine Position ist. Aber eine schwache.

(Auch Irmgard Griss beteiligt sich nicht an der Polarisierung. Gut so. Dennoch kann und muss man – und gerade sie – inhaltlich Position beziehen. Wem eine proeuropäische Haltung, ein Politikstil, der verbindet, statt spaltet, der liberale Rechtsstaat und seine Verlässlichkeit und das Wertefundament der Menschenrechte ein Anliegen sind – wie mir und so denke ich auch Griss – muss Position beziehen. Wenn Griss das nicht tut, so lässt sie Wähler_innen ratlos zurück: Entweder es ist ihr nicht bewusst, wie sehr sie das Zünglein an der Waage sein kann – damit zeigte sie sich zwar als „unpolitisch“, aber im Sinne von politisch unbedarft. Oder es ist ihr bewusst und sie taktiert, weil sie niemanden ihrer Wähler vor den Kopf stoßen möchte. Das hieße, sie agierte in einer Weise polit-strategisch, die nicht einmal beschönigend als alter Politikstil zu bezeichnen wäre. Nur ja nicht Position beziehen, weil man jemanden vergraulen könnte? Liebe Frau Dr. Griss, es wäre mehr als angebracht Position zu beziehen. Nichts anderes haben Sie versprochen als sie von Klarheit gesprochen haben…)

Dieser Absatz ist obsolet. Irmgard Griss hat sich heute als Unterstützerin von Alexander Van der Bellen geoutet. Ich verneige mich erneut vor ihr und ihrem Mut und ihrer Klarheit! 

Ja, ich habe den rot-schwarzen Stillstand in Österreich satt. Ich habe die Altparteien satt, in denen mehr Gedanken an die eigene Zukunft verschwendet werden, als an die des Landes. Ja, die FPÖ stemmt sich ebenso dagegen und wäre wohl der größte Denkzettel, den SPÖ und ÖVP bekommen könnten. Aber: der Denkzettel ist verpasst, immerhin gibt es einen neuen Bundeskanzler und SPÖ Vorsitzenden. Und eine Bundespräsidentenwahl ist keine Nationalratswahl.

Jetzt gibt es eine Stichwahl zwischen zwei Kandidaten. Es geht nicht um das Nachtrauern von Griss, es geht nicht um das Nachtrauern irgendeiner anderen Alternative. Einer von beiden wird’s. Das ist fix. Jetzt gilt es zu entscheiden. Weiß zu wählen ist keine Entscheidung. Weiß zu wählen ist die Alternative zur Entscheidung.

Ich glaube an die Kraft einer offenen Gesellschaft, die jedem Menschen mit Respekt begegnet. Ich glaube an den liberalen Rechtsstaat und halte dessen Verlässlichkeit für ein hohes Gut. Ich will mich nicht wundern, was alles möglich ist. Ich bin ein Kind Europas und glaube an die Idee eines vereinten Europas als starkes Gewicht in einer globalisierten Welt. Ich glaube an die friedensstiftende Kraft von Kooperation und Freihandel, ich glaube an die Überwindung rein nationalistischen Denkens als einzigen zukunftsfähigen Weg. Genauso glaube ich daran, dass nur ein menschenwürdiger Weg ein zukunftsfähiger sein kann. Meine Wertebasis sind die universellen Menschenrechte.

Aus all dem ist klar, dass ich Alexander Van der Bellen wählen werde. Nicht als meine erste Wahl und schon gar nicht, weil er ein Grüner ist. Aber am Sonntag stehen zwei unterschiedliche Politik- und Gesellschaftskonzepte zur Wahl. Und da entscheide ich mich.

Ich sehe, dass auch ich eine Verantwortung habe, das zu kommunizieren. (Potentielle) Weiß-Wähler, die die von mir oben genannten inhaltlichen Positionen und Werte teilen, dürfen sich jedenfalls danach nicht wundern, wenn sie sich noch wundern werden.

 

 

10 Kommentare zu “Weiß wählen? Position beziehen und entscheiden!”

  1. Sperl

    Das ist Hetze.

  2. Johanna

    Sehr geehrte Frau Meinl-Reisinger!
    Ich schätze Ihren engagierten Einsatz in Wien.
    Aber denken Sie wirklich, dass ausgerechnet die ehemaligen Griss-Wähler jetzt derart „ratlos“ sind, dass es unbedingt einer Wahlempfehlung von Fr. Griss persönlich bedarf? Oder halten Sie gar Ihre eigenen Wähler für derart unfähig sich ihr eigenes Bild zu machen? Wären die Österreicher nicht bisweilen durchaus zu selbständiger Meinungsbildung fähig, gäbe es die NEOS erst gar nicht.
    Sie beteiligen sich mit Ihrer (sicher wohlgemeinten) Wahlempfehlung nur an der üblichen Hysterie einer Apokalypse, sollte Hofer vielleicht doch gewinnen. Haben Sie Vertrauen in die Mündigkeit der Bürger und Bürgerinnen. Und sollte es doch einen Präsidenten Hofer geben – nun, dann respektieren Sie in einem ersten Schritt den Wählerwillen und arbeiten dann an einer starken sachlichen Gegenposition, damit Sie bei den nächsten Wahlen mit Inhalten gegenhalten können.
    Es ist löblich, Steuerverschwendungen in Wien aufzudecken, nun wird es aber auch Zeit auf Sachebene zu punkten. Finden Sie Allianzen und setzen Sie sich für tatsächliche Verwaltungsreformen und -einsparungen ein. Sie sind für ein starkes, friedenstiftendes Europa? Wunderbar, dann bringen Sie realistische(!), umsetzbare Vorschläge, wie das Projekt Europa in jeder Hinsicht gerettet werden kann. Wie sich alle Österreicher damit identifizieren können und wie sowohl Sicherheit als auch wirtschaftliches Wachstum garantiert werden können. Es reicht einfach nicht mehr zu sagen „ich will und ich wünsche mir…“, ohne konkrete Konzepte vorzulegen.
    Sie diskreditieren mit Ihrem Aufruf „Position zu beziehen“ nicht nur die Wähler von Fr. Griss, sondern auch gleich sich selbst. Wenn Sie im ersten Absatz schreiben, dass Sie an der Polarisierung nicht teilnehmen, dann tun sie nachfolgend genau das. Das einzige, worüber ich mich noch wundere, ist, wie sehr diese wenig subtile Manipulation „das einzig Richtige“ zu tun, ins Gegenteil übergeht. Auf diese Weise wird Hofer sicher gewinnen.
    Ich bin wahrlich kein Fan der FPÖ, aber eines habe ich von deren Seite noch nie gehört, nämlich den Hinweis, dass alle Wähler anderer Parteien „denkfaul“, „ratlos“, „verantwortungslos“ oder etc… seien.

    • Sehr geehrte Frau Martinkowic,
      ich vertraue in die Mündigkeit der Bürger selbst eine Wahl zu treffen. Gerade deshalb halte ich es auch für legitim Position zu beziehen, weil das bei mündigen Bürgern keinen Unterschied macht. An der Hysterie beteilige ich mich nicht. Ich schreibe als ich warum ich Alexander Van der Bellen wähle. Punkt. Und warum ich für mich es nicht gut finde, weiß zu wählen. Die Ratlosigkeit bezieht sich in meinem Blog auf das bis vor der Pressekonferenz heute hin und her in den Aussagen von Frau Dr. Griss. Und darauf, dass mich viele ihrer Wählerinnen und Wähler angesprochen und angeschrieben haben, dass sie sich ein klares Statement erhoffen. Dieser Teil ist seit heute obsolet weshalb ich den Blogpost geändert habe. Zu keiner Zeit unterstelle ich dem Wähler ratlos zu sein. Und auch nicht andere Attribute wie „denkfaul“. Das werden Sie von mir nicht hören. Im Gegenteil: ich habe schon mehrfach Verständnis ausgedrückt für die Wahlmotive für die FPÖ. Aber eben auch meine Wertebasis als Richtschnur verwendet um zu erklären, warum dies für mich kein Weg ist. Wenn Sie konkrete Rezepte zu Recht verlangen so verweise ich auf unsere website neos.eu oder wien.neos.eu. Wir arbeite kontinuierlich daran. Und ich freu mich auch, wenn Sie Input geben.

      Schöne Grüße
      Beate Meinl-Reisinger

  3. reinhard

    liebe frau meinl-reisinger,
    ich möchte den punkt „ein Politikstil, der verbindet, statt spaltet“ mit meiner Meinung ergänzen: im Wahlkampf sind hofer und VDB bemüht, sich derart aktiv abzugrenzen, dass beide den „jeweils anderen“ ausgrenzen. das verbindende kann ich also bei beiden Kandidaten nicht finden.
    das gleiche gilt für die jeweiligen Anhänger, wie man an diversen schmier-Aktionen gegen hofer- oder vdb-plakate feststellen kann.
    das ganze hat aus heutiger sicht im ATV-Duell am sonntag gegipfelt, wo beide Kandidaten weit weg von „professionell“ bzw. „repräsentativ“ ausgestiegen sind. ich habe mir zum schluss nur gedacht „wir wählen zwischen pest und cholera“. beides nicht gut.
    ich fürchte bzw. fürchte nicht, dass wir uns über beide Kandidaten noch „wundern“ werden.
    was als trennender punkt bleibt, ist die Haltung zu Europa – aber das haben Sie ja gut ausgeführt.
    aber auch die Haltung zum Thema „Ausländer bzw. Probleme rund um dieses Thema“ bleibt. wir werden sehen, was mehr zieht …
    ich hoffe auf das verbindende nach das Wahl – egal wer gewinnt. und ich hoffe, dass nicht „so heiss gegessen wird, wie gekocht“ – auch egal wer gewinnt.
    mfg

  4. Matthäus Strols

    oder man wählt denjenigen der einem NICHT die Wahl zu NR 2018 (falls das hält) nimmt….

  5. Sylvia Wohlfarter, Stattegg

    Sehr geehrte Frau Meinl! Ich gehöre zu den Weißwählern. Ich erwarte nach all dem für unmöglich Gedachten, was ich von sogenannten gebildeten und zivilisierten Menschen an medialer Meinungsbevormundung in den letzten Wochen erlebe, mit Schaudern das Übel, das auf uns zukommen wird. Auf der einen Seite die Rechteren, in Verteidigung ihres Menschseins angesichts der ständigen Herabwürdigung deren Wählerschaft. Auf der anderen Seiten die linkeren Meinungsterroristen, die in ihrer maßlosen Anmaßung den Humanismus und gleich ganz Europa für sich vereinnahmen, bis hin zur Aufforderung zu kriminellen Handlungen (Fest für van der Bellen, Katharina Stemberger – ein bissl kriminell geht schon“). Ja, wo sind wir denn, dass mir Frau Griss oder ein anderer Politiker oder Künstler sagen darf, was ich zu denken habe und wie ich zu ticken habe? Wann wachen Sie und Ihre Kollegen endlich auf, dass es in dieser Art nicht geht? Übrigens – bereits bei der letzte Wahl zu Fischer, Rosenkranz, Gehring im Jahr 2010 hat es ähnliche Diskussionen gegeben, auch Fischer war nur das kleinere Übel. Was hats gebracht, das kleinere Übel zu wählen? Die Politik hat nichts daraus gelernt, es ist nur schlimmer geworden. Es fällt mir nicht ein, gegen alle meine Werthaltungen, Norbert Hofer oder nun auch angesichts seines Verhaltens in den letzten Wochen van der Bellen zu wählen, was nichts mit meiner Grundachtung für diese beiden Menschen zu tun hat. Eine Grundachtung, auf die wird nämlich geflissentlich vergessen, vor allem in Bezug auf die Hofer-Wähler. Ein Drittel der wählenden Menschen in Österreich werden seit Wochen herabgewürdigt, für ungebildete und ängstliche Wüteriche und am schlimmsten für Nazis erklärt. Denken Sie einmal darüber nach, was das in einem System bedeutet! Beste Grüße, SW

    • Sehr geehrte Frau Wohlfarter,

      ich kann Weißwähler durchaus verstehen. Das hab ich in meinem Blog zum Ausdruck gebracht. ich habe aber auch gesagt, dass es für mich nicht in Frage kommt. Mir selbst hat es auch nicht gepasst immer das geringere Übel zu wählen und so habe ich neue Partei mitbegründet mit all den Anstrengungen und persönlichen Einsatz den es dafür benötigt. Ich gebe Ihnen auch recht, dass diese Polarisierungen in Gut und Böse nicht sehr hilfreich sind. Deshalb kann ich auch getrost darauf verzichten Statements zu sharen, die das nur anheizen. Und ich gebe Ihnen auch recht was die Grundachtung der Menschen angeht. Von mir werden Sie keinerlei Aussagen finden, die FPÖ Wähler in irgendeiner Art und Weise abstempeln oder herabwürdigen. Im Gegenteil: Viele Motive kann ich auch verstehen und drücke das auch regelmäßig aus. Ich beziehe nur als ich selbst hier Position – selbst auf die Gefahr hin, dass nicht jeder damit einverstanden ist. Das verstehe ich auch unter transparenter Politik, die nicht bloß taktiert.