Von 22 Stunden bis 30 Stunden: Die Spannbreite politischer Diskussion in Wien beträgt 8 Stunden.

Ich habe heute und letzte Woche kritische Rückmeldungen bekommen auf eine Presseaussendung von mir, in der ich Kritik am launigen Wiener Bürgermeister geübt habe für seinen Sager zu den 22 Stunden Lehrerarbeitszeit. Ich hätte mich damit auf die Seite der Gewerkschaft gestellt. Das könnte man so sehen, wenn es tatsächlich um ein Match Häupl gegen Gewerkschaft gegangen ist, ganz so wie der Bürgermeister das vergangenen Samstag am Landesparteitag dargestellt hat. Diese Stellung hätte ich nicht bezogen, denn viel zu lange schon hält die Gewerkschaft öffentlicher Dienst das Land in reformverweigender Geiselhaft.

Ich war der Meinung, dass der Präsident des Stadtschulrates nicht in einem derart flapsigen Ton über seine eigenen Mitarbeiter_innen reden kann. Dieser Meinung bin ich immer noch.

In der Sache geht NEOS ja den radikalsten Schritt und fordert mit der umfassenden Autonomie der Schulen, nämlich in budgetärer, pädagogischer und personeller Hinsicht, ja ein Ende des Lehrerdienstrechts an sich.

Geschützte Werkstätte

Österreich ist ein Beamtenland seit Kaiserinszeiten. In Zeiten hoher Staatsschulden, geringem Wachstums und rasant steigender Arbeitslosigkeit heißt das, dass eine Art geschützte Werkstätte existiert. Außerhalb haben die Menschen Angst vor Jobverlust und vor sozialem Abstieg. Draußen machen sich Eltern Sorgen, dass ihre Kinder im Bildungsverlauf auf der Strecke bleiben. Draußen gibt es immer mehr befristete oder Teilzeitjobs. Und drinnen? Hier werden weiter Privilegien munter fortgeschrieben, wie zum Beispiel die überlange Anpassungszeit der Wiener Beamtenpensionen an die Pensionsreform des Bundes. Man habe bewusst nicht die schwarz-blaue Pensionsreform in Wien nachvollzogen, sagt der Wiener Bürgermeister. Dumm nur, dass Wien keine Insel ist und die Zeche für fehlende Reformen alle Steuerzahler_innen vom Boden- bis zum Neusiedlersee zahlen. In der Zwischenzeit gehen Wiener Beamte_innen mit durchschnittlich 54 Jahren in Pension und Luxuspensionen bleiben weiterhin unangetastet.

22 Stunden vs. 30 Stunden

Nur Tage nach dem launigen Sager des Bürgermeisters hat nun die SPÖ Wien die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich beschlossen. Sozialromantischer Klassenkampf pur und eine gefährliche Drohung nicht nur für alle Start-ups und KMUs – somit für das Rückgrat der Wirtschaft, sondern auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Unternehmen können es sich schon jetzt kaum leisten, die hohen Lohnnebenkosten zu tragen. Der Effekt ist, dass entweder nicht investiert wird, wieder zugesperrt wird oder man ins Ausland geht. Sollen doch die Jobs in den USA oder in Berlin geschaffen werden. Ist das die politische Botschaft der SPÖ?

Einmal mehr träumt man von geschützten Werkstätten: Immer mehr Menschen versuchen als Ein-Personen-Unternehmer_innen ihr Einkommen zu sichern, wobei sie niemand fragt, ob sie vielleicht am Abend oder am Wochenende, 12 oder 8 Stunden am Tag, 20 oder 70 Stunden die Woche arbeiten.

Die Spannbreite der politischen Diskussion in Wien betrug also in der letzten Woche 8 Stunden. Innerhalb dieser liegt ein gesamtes geschütztes Universum. Dabei sollte die Politik tatsächlich Sorge dafür tragen, dass es geschützte Werkstätten gibt: für alle Menschen, die zum Beispiel krankheitsbedingt kein Erwerbsleben meistern können. Für alle Kinder aus bildungsfernen Familien, die im derzeitigen Schulsystem auf der Strecke bleiben. Für alle Jugendlichen, die psychiatrische Probleme haben und für die es in Wien nun seit 1. April erstmals (!) gerade mal zwei Kassenordinationen gibt.

Für NEOS steht fest: Wollen wir unseren hohen Lebensstandard halten, braucht es Reformen und die Anstrengungen aller. Gerade bei Privilegien darf man dabei nicht Halt machen. Wien braucht mehr unternehmerische Freiheit, um aus der Krise rauszukommen. Im Bildungsbereich braucht es mehr als eine Diskussion um 2 Stunden mehr in der Klasse. Viel wichtiger ist die Frage, wie wir die Parteipolitik endlich aus den Schulen raus bekommen und Autonomie rein. Damit das Geld endlich beim Schüler ankommt. Diese Diskussion führen wir gerne und stetig im Dialog mit allen Beteiligten. Aus diesem Grund laden wir Schüler_innen, Eltern und Lehrer_innen am 1. Mai zum Tag der Bildung.

Die Spannbreite der politischen Diskussion beträgt in Wien derzeit 8 Stunden. Wir sorgen dafür, dass dieser schmale Horizont erweitert wird.