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Paradigmenwechsel – Warum wir ein Informationsfreiheitsgesetz jetzt brauchen

Beate Meinl-Reisinger
Beate Meinl-Reisinger

„Die Wahrheit ist den Bürger_innen zumutbar.“ Dieses leicht abgewandelte Zitat der großartigen Ingeborg Bachmann dürfte bei den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP wohl nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen. Während uns unter anderem der NSA-Abhörskandal vor Augen geführt hat, dass wir Bürger_innen vor dem Staat kaum mehr etwas verheimlichen können, verlaufen Initiativen für mehr staatliche Transparenz immer wieder im Sand.

So auch im Frühsommer als federführend von dem damaligen Klubobmann Karlheinz Kopf eine Initiative zur Anschaffung des Amtsgeheimnisses in der Verfassung und der Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes abgewürgt wurde. Immerhin konnten SPÖ und ÖVP, namentlich die beiden Staatssekretäre Ostermayer und Kurz mediale Pluspunkte verbuchen, hatten sie doch vollmundig beteuert, ein Informationsfreiheitsgesetz in Österreich etablieren zu wollen (Zitat StS Kurz: „Es braucht einen großen Wurf:“) und somit die Forderungen der überparteilichen Initiative transparenzgesetz.at zu verwirklichen.

NEOS hat diese Initiative rund um Josef Barth und Hubert Sickinger immer unterstützt.

Worum geht es?
Ausgehend von Skandalen wie Kostenüberschreitungen bei öffentlichen Bauprojekten oder zweifelhaften, weil verdächtig nach Freunderlwirtschaft anmutenden Aufträgen seitens der öffentlichen Hand – echte Kontrolle der Verwaltung kann nur dann passieren, wenn dieses Kontrollrecht der Öffentlichkeit – sprich den Bürgerinnen und Bürgern eingeräumt wird. In einer lebendigen Demokratie muss der Staat staatliches Handeln begründen und offen legen – er muss Rechenschaft ablegen. Gegenüber dem Steuerzahler, gegenüber dem Bürger.

In Österreich ist das Amtsgeheimnis im Verfassungsrang Prinzip. Das Auskunftspflichtgesetz ermöglicht es dem Bürger Auskünfte über die Verwaltungstätigkeit zu verlangen, „sofern eine gesetzliche Verschwiegenheit dem nicht entgegen steht“. Dieses Recht ist ziemlich eingeschränkt.

Es ist längst an der Zeit, dass das noch aus der Monarchie stammende Amtsgeheimnis, das mehr Ausfluss eines absolutistischen Staatsverständnisses ist als eines Staates, dessen Recht vom Volke ausgeht, durch ein Informationsfreiheitsgesetz ersetzt wird.
Was es braucht ist ein Paradigmenwechsel: nicht der Bürger als Bittsteller gegenüber dem Staat sondern eine prinzipiell transparente Verwaltung, die Auskunft gibt darüber, was öffentliche Organe in ihrem Wirkungsbereich tun und vor allem auch wie die Steuermittel verwendet werden.

Transparenz als Desinfektionsmittel:
Gerade im Bereich der Korruptionsbekämpfung – ja aber generell der Effizienz des Einsatzes von öffentliche Geldern ist Transparenz unerlässlich. Die Notwendigkeit dieser Forderung von NEOS wurde nun auch durch eine Studie des kanadischen Zentrums für Gesetz und Demokratie sowie von Access-Info Europe bestätigt. Im aktuellen Global Right to Information Ranking belegt Österreich von 97 berücksichtigten Nationen den traurigen letzten Platz. Das Urteil von Helen Darbishire, Vizepräsidentin von Access Info, fällt vernichtend aus: Österreich habe in puncto Transparenz die weltweit schwächste gesetzliche Regelung, viele Maßnahmen die in anderen Ländern selbstverständlich sind fehlen hierzulande gänzlich. Die Amtsverschwiegenheit steht in Verfassungsrang. Somit wird die Beauskunftung der Bürger_innen zur Holschuld. Elf verschiedene gesetzliche Regelungen zur Auskunftspflicht verwässern das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zugesprochene Recht der Bürger_innen auf Einblick in öffentliche Angelegenheiten.

Österreich belegt im RTI-Ranking den letzten Platz, während es im Nachbarland Slowenien Vorzeigeprojekte in staatlicher Transparenz gäbe.

Die Unstimmigkeiten rund um die Vergabe eines Auftrages an den Sicherheitsdienstleister G4S im Schubhaftzentrum Vordernberg führen aktuell vor Augen, wie die Amtsverschwiegenheit zu Verschleierung von zwielichtigen Entscheidungen führen kann.

NEOS hat nun einen Expertenentwurf der Initiative Transparenzgesetz.at aufgegriffen und als Gesetzesantrag eingebracht – mit leichten Adaptierungen. In einem Schritt soll das Amtsgeheimnis durch eine prinzipielle Informationsfreiheit in der Verfassung ersetzt werden. Damit einhergehend soll eine Veröffentlichungspflicht oder eigentlich Zugänglichmachungspflicht seitens der Behörden festgeschrieben werden – das heißt, dass Behörden ihre Verwaltungsakte auch veröffentlichen müssen in einem Register.
In einem weiteren Schritt muss die Vorlage eines echten Informationsfreiheitsgesetzes erarbeitet werden. Dieses muss regeln, wie der Zugang zu Information bestehen soll und welche Behörde mit der Durchsetzung und der Kontrolle des Rechts betraut wird. Die Initiative schlägt hier einen Informationsschutzbeauftragten vor.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass wir als NEOS uns EIN Informationsfreiheitsgesetz für das gesamte Bundesgebiet wünschen. Das wird zu Diskussionen führen, werden doch die Länder auf eigenen Ausführungsgesetzen bestehen. Die Gefahr besteht aber, dass durch 10 verschiedene Gesetze der Zugang zu Information zersplittert würde und letztlich zu einer Verwässerung und Rechtsunsicherheit führen würde.

Selbstverständlich müssen auch Grenzen der Informationsfreiheit normiert sein. Außer Frage, dass das Datenschutzrecht hier die Grenzen ziehen muss. Gerade dann, wenn es um persönliche Daten Dritter geht, ist Vorsicht geboten. Die Grenzen müssen klug gezogen werden, dass das Ziel der Informationsfreiheit einerseits nicht konterkartiert wird, andererseits jedoch ein starker Schutz von Persönlichkeitsrechten bestehen bleibt. Wir wollen den gläsernen Staat, nicht den gläsernen Bürger!
Unser Nachbarland Slowenien oder auch die Stadt Hamburg haben vorgezeigt, wie in der öffentlichen Verwaltung Transparenz, demokratische Teilhabe und Datenschutz erfolgreich unter einen Hut gebracht werden können.

Ein fast wortidenter Antrag der Grünen ist heute auch Gegenstand der ersten Lesung im Parlament. Selbstverständlich unterstützen wir diesen Antrag, der unserem nahezu gleicht.
Ich bedaure jedoch, dass es nicht möglich war, dass NEOS und Grüne gemeinsam diesen Antrag eingebracht haben. Ich denke, dass es wichtig ist, bei gemeinsamen Anliegen auch gemeinsame Schritte zu setzen. So stehe ich schon seit ein paar Wochen auch mit den Piraten in Kontakt, die sich im Wahlkampf ebenso für ein Informationsfreiheitsgesetz stark gemacht haben.
Last but not least wird es nun von den Koalitionsverhandlungen abhängen, ob Österreich in den kommenden fünf Jahren diesen Paradigmenwechsel erleben wird. Die große Koalition wurde bei der Wahl nicht zuletzt nach zahlreichen Fällen von Korruption und Misswirtschaft von den Wähler_innen abgestraft. Reumütig wurde am Wahlabend ein „neuer Stil“ in der Regierung versprochen. SPÖ und ÖVP können nun unter Beweis stellen, wie ernst ihnen das ist. Es gilt, das Verhältnis zwischen Staat und Bürger_innen in der Informationspflicht umzudrehen. Hans Niessl und Andreas Khol, die in den Koalitionsverhandlungen das Kapitel Verfassung behandeln, können nun zeigen, ob sie uns Bürger_innen weiterhin als Bittsteller abtun wollen, oder ob sie uns als mündige Teilnehmer an der Demokratie ernst nehmen.

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